Ein Blick auf die Südharzstrecke vor 130 Jahren!
130 Jahre Bahnstrecke Northeim - Nordhausen

IM JUBILÄUMSJAHR ÜBERWIEGEN BISHER DIE POSITIVEN AKZENTE

Am 1. August 1999 jährt sich zum 130. Mal der Tag, an welchem zum ersten Mal ein Personenzug durchgehend von Northeim nach Nordhausen verkehrte. Auch wenn es kein "rundes" Jubiläum wie das 125. ist oder das 150. hoffentlich werden wird, sollte der einstigen Schlagader des Güterverkehrs und dem heutigen Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs im Südharz freundlichst gedacht werden. Am besten wäre es, wenn die Verantwortlichen von Bahn und Politik sich angesichts der 130 Jahre zu zügiger Sanierung und weiterem Ausbau entschlössen und wenn die Südharzer Bürger von der Möglichkeit, die ihnen der heutige Stundentakt mit seinen vielfältigen Verknüpfungen bietet, noch mehr Gebrauch machen würden.

 

Komplizierte Entstehungsgeschichte, Aufstieg und Fall einer Magistrale

Schon die mehr als dreißigjährige Entstehungsgeschichte der Strecke Northeim - Nordhausen war gekennzeichnet von Euphorie und Enttäuschungen, bis endlich die Linienführung zulasten der Industriemetropole Osterode und zugunsten Herzbergs und des braunschweigischen Walkenried feststand. Zuvor hatten die divergierenden Interessen der drei Länder Preußen, Hannover und Braunschweig und die unterschiedliche Art, Bahnen zu finanzieren und zu bauen - hier privat mit staatlichen Auflagen, dort rein staatlich - immer wieder Streit über die richtige Linie heraufbeschworen. 1869 war schließlich eine recht gut trassierte, von Beginn an für ein 2. Gleis vorgesehene und angemessen schnell befahrbare Hauptbahn entstanden, die nach relativ kurzer Zeit von der Magdeburg-Halle-Leipziger Eisenbahngesellschaft im Zuge der preußischen Verstaatlichungspolitik Bestandteil der preußischen Staatsbahn wurde. Mit der 1878 fertiggestellten Fortsetzung nach Altenbeken begann der unaufhaltsame Aufstieg zu einer Magistrale des deutschen Güterverkehrs, für dessen Bewältigung die Bahnbetriebswerke in Ottbergen, Northeim und Nordhausen entstanden, in denen stets die größten, modernsten und stärksten Güterzugloks beheimatet waren. Unter anderem wegen der V-Waffen-Produktion im Kohnstein bei Nordhausen schwoll der Verkehr im 2. Weltkrieg so stark an, daß noch wenige Wochen vor Kriegsende an einer Entlastungsstrecke durch das Helmetal gebaut wurde, deren Trasse bei Osterhagen noch recht gut auszumachen ist.

Nach 1945 erinnerte man sich recht bald der alten Magistrale, als es um die Übergabe von Kali- und Kohlezügen ging. Während der Güterverkehr nach Ende der Berliner Blockade ununterbrochen bis zur Wende 1989 lief und zeitweise immerhin täglich 12 und mehr Züge ausgetauscht wurden, gelang es nie, den Reiseverkehr wieder in Gang zu bringen, sieht man von einigen wenigen Zügen zur Leipziger Messe Anfang der fünfziger Jahre einmal ab. Für das Scheitern war im übrigen mal diese, mal jene Seite verantwortlich. Der Verkehrsvertrag Anfang der siebziger Jahre schrieb leider auch nur den Status als Güterzugstrecke fest. So verloren Bundes- und Reichsbahn nach und nach das Interesse, die Magistrale begann zu altern und zeigte erste Schwächen.

 

Der Aufschwung nach 1989 mußte hart erstritten werden

Symptomatisch für die Abseitslage, in die die Südharzstrecke hineingeraten war, ist auch die Geschichte der Wiedereröffnung für den Personenverkehr, die am 12. November 1989 auf Eigeninitiative örtlicher Eisenbahner geschah und später eher zähneknirschend in Frankfurt und Hannover gutgeheißen wurde. Immerhin bescherte der 1. Tag nach über 50jähriger Pause der Strecke mehr als 6000 Reisende mit an den Folgetagen steigender Tendenz. Schnell wurden dann durchgehende Züge zwischen Nordhausen und Northeim eingerichtet. Von einer Sanierung der alten Hauptstrecke hielten die Bahnoberen vor allem in Frankfurt aber nicht viel, setzten vielmehr auf die Öffnung bei Eichenberg und konnten auch die Politiker von dieser Variante überzeugen. So bedurfte es massiver örtlicher Anstrengungen, um zunächst einmal einen ausreichend guten Fahrplan für die Südharzstrecke zu erstreiten und auch endlich Mittel für die Streckensanierung freizubekommen. Seit etwas über einem Jahr nun existiert ein Fahrplan, der mit Stundentakt und durchgehenden Zügen nach Erfurt und Göttingen und einer gelungenen Verknüpfung mit der Westharzstrecke in Richtung Braunschweig viele Wünsche erfüllt. Was fehlt, sind durchgehende Leistungen in Richtung Altenbeken und Ruhrgebiet, um die unbedingt weiter gestritten werden muß. Die ersten 5 Kilometer zwischen Woffleben und Niedersachswerfen wurden 1998/99 endlich auch gründlich saniert.

 

Im Jubiläumsjahr noch immer unerledigte Probleme

Leider bietet die Südharzstrecke auch im 130. Jahr noch kein geschlossen positives Bild. Es gibt einerseits ausgebaute Bahnhöfe und Verknüpfungspunkte wie Northeim, Herzberg, Bad Sachsa, Walkenried und nach und nach auch Nordhausen, erneuerte Bahnsteige wie Wulften, aber leider auch verwahrloste Anlagen wie am Verknüpfungspunkt Scharzfeld oder in Ellrich, es wird abschnittsweise mit 100 km/h flott dahingefahren, aber zwischen Niedersachswerfen und Nordhausen geradezu geschlichen. Auch in Wulften harrt eine Langsamfahrstelle seit 10 (!) Jahren der Beseitigung. Insgesamt ist die Reisegeschwindigkeit noch zu niedrig, um in größerer Zahl Kunden von der Straße auf die Bahn zu bringen. Dabei bietet sie gerade im Verkehr zu den Zentren Nordhausen und Göttingen entschiedene Vorteile.

Allen Unkenrufen hinsichtlich der Infrastruktur zum Trotze läuft sozusagen klammheimlich auch wieder ein durchgehender Güterverkehr mit Ganzzügen zwischen Herzberg und Nordhausen mit mehreren langen und schweren Zügen pro Woche. Leider sind noch längst nicht genug Güter auf der Bahn, und die DB Cargo tut ihrerseits nichts, um zum Beispiel die Anfuhr von REA-Gips per Schiene nach Ellrich oder Walkenried in Gang zu bringen.

Die DB Netz hat mehrfach die Fortführung der Sanierung ab August im Abschnitt Niedersachswerfen - Nordhausen angekündigt. Hoffen wir, daß die Verantwortlichen in Leipzig und Halle ihr Wort halten und ab Spätherbst dann dieser Abschnitt statt mit 30 auch wieder mit 100 km/h befahren werden kann. Bis 2000 würde der Südharz dann über eine leistungsfähige Hauptachse für den regionalen Schienenverkehr verfügen, die auch für weitere Aufgaben gerüstet ist. So gesehen stehen die Aussichten bis zum 150. Jubelfest vielleicht doch nicht so schlecht.

Michael Reinboth
Initiative "Höchste Eisenbahn für den Südharz"