Trotz einiger ´Altersschwächen´: Die Südharzstrecke wird mehr denn je gebraucht!

Trotz einiger "Altersschwächen": Die Südharzstrecke wird mehr denn je gebraucht!

Keine großen Feiern, aber dennoch ein bemerkenswertes Ereignis:

Am 1. Dezember 1998 jährt sich zum 130. Mal der Tag, an dem das erste Teilstück der Südharzstrecke Northeim - Nordhausen zwischen Northeim und Herzberg in Betrieb ging. In ihrer wechselvollen Geschichte hat die Bahn vor allem eines immer wieder unter Beweis gestellt: Sie ist ein unentbehrlicher Verkehrsweg für den Südharz.

Der Ausgang des Krieges 1866 entschied auch über die Trassenführung

Mit der Aufnahme des Zugverkehrs von Northeim, wo bereits seit 1856 ein Bahnhof der hannoverschen Südbahn bestand und das mit der Südharzstrecke zum Knotenpunkt wurde, und Herzberg ging ein über Jahrzehnte währender Planungsprozeß zu Ende, in dessen Verlauf mehrere Trassen vorgeschlagen und geprüft wurden. Letzten Endes setzte sich die direkte Verbindung über Wulften gegenüber den Varianten über Osterode durch. Bis zum heutigen Tag wirkt diese Entscheidung im Südharzer Verkehrsnetz nach. Dabei hatte es anfangs noch so ausgesehen, als ginge an einer Streckenführung über Osterode, welches als einer der wichtigsten Industriestandorte im Königreich Hannover galt, nichts vorbei. Osterode hatte schon vor dem Bau der Südbahn deren Führung über den Harzrand gefordert und wollte nun bei der Südharzstrecke auf jeden Fall dabei sein. Die damalige Kleinstaaterei - neben Hannover mischten auch Preußen und das Herzogtum Braunschweig bei der Streckenplanung mit - brachte dabei auch heute skuril anmutende Versionen hervor, etwa einen Tunnel bei Badenhausen, um beim Bau einer rein hannöverschen Strecke Northeim - Osterode einen Zipfel braunschweigischen Gebietes abschneiden zu können!

Entscheidend für die heutige Trassenwahl war letzten Endes der Ausgang des Krieges von 1866, die Annektion des Königreichs Hannover durch Preußen und dessen Wunsch, zwischen Nordhausen und Northeim möglichst ohne große Umwege fahren zu können. Im östlichen Abschnitt der Strecke wich man allerdings hiervon zugunsten einer Streckenführung über das braunschweigische Walkenried wieder ab. Immerhin stellte man im Herzogtum Grund und Boden kostenlos zur Verfügung. Die Kreisstadt Osterode wurde wenig später mit der Zweigstrecke Herzberg - Seesen an das Bahnnetz angeschlossen.

Aufstieg zu einer Magistrale des deutschen Güterverkehrs

Mit der Aufnahme des Betriebes zwischen Herzberg und Nordhausen am 1.8.1869 und dem auf der Sollingbahn zwischen Northeim und Ottbergen 1878 begann der Aufstieg der Südharzstrecke zu einer Magistrale des deutschen Güterverkehrs. Die kürzeste Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und Mitteldeutschland wurde von immer mehr Güterzügen genutzt. So weist zum Beispiel das "Reichsgüterkursbuch" 1930 täglich 20 durchgehende Güterzüge in Richtung Osten und 16 in Richtung Westen auf. Die Zahl stieg während des zweiten Weltkrieges auf nahezu 100 Züge täglich an. Das Bahnbetriebswerk in Northeim und der Bahnknoten Nordhausen mit seinem großen Rangierbahnhof entwickelten sich auch zu wichtigen Arbeitgebern. Die Südharzstrecke gab aber auch auf den kleineren Unterwegsstationen und besonders im Knotenpunkt Herzberg, wo sich zur Seesener Strecke noch die Nebenbahn nach Bleicherode hinzugesellt hatte, vielen Menschen Lohn und Brot. In den Betriebswerken Ottbergen, Northeim und Nordhausen waren die damals größten und modernsten Güterzuglokomotiven der Reichsbahn der Baureihe 44 stationiert.

Demgegenüber fuhren verhältnismäßig wenig durchgehende Schnellzüge am Südharz entlang. Sie nahmen zumeist den Weg über Kassel und Eichenberg oder über Vienenburg und Börßum. Immerhin verzeichnet das Kursbuch 1939 ein Nachtschnellzugpaar zwischen Düsseldorf und Dresden und ein Tageszugpaar zwischen Halle und Münster, daneben diverse Eilzüge und natürlich zahlreiche Personenzüge.

Nach 1945 nur noch Güterzüge zwischen West und Ost

Ihre wichtige Rolle im Güterverkehr bewahrte die Südharzstrecke nach 1945 auch vor dem Schicksal einer eher unbedeutenden Stichbahn. Zwischen Ellrich und Walkenried wurde 1947/48 kurzzeitig und ab 1949 dauerhaft der durchgehende Güterverkehr wieder aufgenommen. Von anfangs 3 Zügen über drei Zugpaare stieg das Aufkommen zu Beginn der achtziger Jahre auf immerhin tägliche 12 Güterzüge an, um danach langsam zu sinken. Trotz mehrerer Anläufe - die interessanterweise auch ihren Ursprung im Osten hatten, dann aber im Westen auf wenig Gegenliebe stießen - kam es leider nicht zur Aufnahme des durchgehenden Personenverkehrs. Das Eisenbahntor von Ellrich erlangte eine traurige Berühmtheit, blieb jedoch Reisezügen immer verschlossen. Der durchgehende Zug aus dem Ruhrgebiet, eine über Jahrzehnte stabile Leistung, endete wie alle übrigen Personenzüge in Walkenried.

Die sinkende Bedeutung der Südharzstrecke veranlaßten Bundesbahn und Reichsbahn dazu, immer weniger Investitionen vorzunehmen. Lediglich negative Maßnahmen wie die Aufhebung der Bahnhöfe Katlenburg und Hattorf und deren Umwandlung in unbesetzte Haltepunkte waren zu verzeichnen. Immerhin konnten aber in Herzberg durch seine Funktion als Rangierbahnhof und Grenzkontrollpunkt zahlreiche Arbeitsplätze gesichert werden. Wegen des durchgehenden Güterverkehrs blieb die Strecke auch immer zweigleisig.

Seit der Grenzöffnung 1989 wird um die Belebung der Strecke gerungen

Am 12. November 1989 fuhr wieder der erste durchgehende Reisezug über die Grenze, zunächst nur bis Ellrich. Aber schon bald wurden, um der zunehmenden Flut der Reisenden gerecht zu werden, auch durchgehende Züge zwischen Nordhausen und Northeim eingerichtet. Wer nun an die schnelle Wiedergewinnung der alten Bedeutung geglaubt hatte, wurde bald bitter enttäuscht. Bundesbahn und Bundespolitik setzten andere Akzente und förderten den Wiederaufbau der Strecke über Eichenberg. Die Bevorzugung der einst keineswegs bedeutenderen Strecke durch das Eichsfeld hielt bis heute an. Selbst bei der Eröffnung der Eichenberger Kurve wurde von der ersten durchgehenden Verbindung zwischen Niedersachsen und Thüringen gesprochen, obwohl diese schon fast 10 Jahre über Walkenried besteht. Auch Landes- und Kommunalpolitik setzten in den ersten Jahren nach der Wende zu wenig positive Signale. Der Ausbau des Fahrplans auf der Südharzstrecke gestaltete sich daher sehr mühsam und mußte gegen viele Widerstände durchgesetzt werden. Seit Mai 1998 nun gibt es durchgehende Züge nicht nur zwischen Erfurt und Northeim, sondern auch wieder zwischen Nordhausen und Göttingen. Der neue Taktfahrplan brachte zahlreiche neue und gute Anschlüsse und wurde im September noch einmal leicht nachgebessert. Zwischen Northeim und Herzberg verkehren auch an den Wochenenden stündlich Züge in beiden Richtungen, die werktags noch durch einige halbstündliche Zwischenzüge ergänzt werden.

Der durchgehende Güterverkehr hingegen gehört seit wenigen Jahren vorerst der Vergangenheit an. Hierzu hat auch der Rückbau der Strecke Northeim - Ottbergen auf eingleisigen Betrieb beigetragen. Lokaler Güterverkehr findet kaum noch statt, lediglich in Northeim und Herzberg selbst werden noch Wagenladungen abgefertigt.

Im Gegensatz zum Fahrplan, der alles in allem seit 1989 deutliche Fortschritte gemacht hat, wurde an der Infrastruktur auch nach der Wende nichts getan. So besteht seit vielen Jahren in Wulften eine ärgerliche Langsamfahrstelle, auf deren Beseitigung vergeblich gedrungen worden ist. Der Neubau des zweiten Bahnsteiges in Wulften geriet nach schwungvollem Beginn ins Stocken und wurde erst jetzt abgeschlossen. Hingegen harrt der Haltepunkt Northeim Mühlentor, wiewohl von allen Seiten befürwortet, immer noch der Erstellung.

Nach Beginn von Sanierungsarbeiten in eine gute Zukunft

An den beiden Endpunkten, in Northeim und in Herzberg, entstanden in den letzten Jahren allerdings neue und gut gestaltete Verknüpfungspunkte zwischen Bahn, Bus, Pkw und Fahrrad. Damit wurde eine gute Basis für den weiteren Ausbau der Südharzstrecke, deren Zukunft zunächst die einer gut bedienten, schnell befahrenen Regionalstrecke sein wird, geschaffen. Allerdings sollte bei allen Rationalisierungsmaßnahmen die Option auf den durchgehenden Güterverkehr unbedingt aufrechterhalten bleiben. Da nun endlich, nach mehrjähriger Verschleppung, die Bauarbeiten im östlichen Abschnitt zwischen Ellrich und Nordhausen angelaufen sind, können wir ab 2000 von einer Beschleunigung der Züge zwischen Northeim und Nordhausen und damit einem noch attraktiveren Fahrplan ausgehen. Die Länder Niedersachsen und Thüringen haben sich zur Südharzstrecke bekannt. Die insgesamt noch rüstige Jubilarin wird, wenn ihre kleineren Gebrechen kuriert sind, eine gute Zukunft vor sich haben.

Michael Reinboth
Initiative "Höchste Eisenbahn für den Südharz"