News vom 01.11.24 bis 30.11.24
1. Bad Sachsa: Asterix, Obelix und HATIX – oder:
Die einfache Welt der Sachsaer Ratsherren
(Stand: 23.11.2024)
Seit gestern wissen wir also, dass Bad Sachsa sich als das berühmte gallische
Dorf sieht. Was sagt uns das? Im Grunde doch wohl, dass alle außerhalb des
Dorfes lebenden im Grunde doof, auf jeden Fall aber einfältig sind, während die
Sachsaer dank Ihres Druiden Daniel Quade alle in den Sack stecken.
Man könnte im Grunde genommen mit dieser Sachsaer Hybris ganz gut leben – an der Uffe leben die Guten, und wir anderen, die wir zu HATIX stehen, kapieren eben einfach nichts. Man könnte lächelnd darüber hinweg gehen und sich sagen: Na ja, so sind sie eben, die Schmerle, und so waren sie schon immer. Am Sachsaer Wesen soll die Welt, auf alle Fälle aber der Südharz, genesen.
Aber das will ich nicht. Ich habe, ganz persönlich, wahnsinnig viel Zeit und viel Herzblut in die Einführung der kostenlosen Mitnahme von Gästen in den Bussen gesteckt und letztlich auch mit dafür gesorgt, dass „HATIX plus Schiene“ eingeführt wurde. Ich war froh, dass wir im Südharz endlich auch das haben, womit andere, übrigens zunehmend mehr, Urlaubsregionen landauf, landab werben: Kommt zu uns, da könnt ihr Busse, mancherorts auch Bahnen, kostenlos nutzen. Ihr, liebe Gäste, seid es uns wert. Die kostenlose Beförderung der Gäste im ÖPNV hat sich zu einem Standardangebot in Deutschland entwickelt. Ob im Allgäu, im Berchtesgadener Land, am Bodensee, im Schwarzwald oder im Bayerischen Wald – das Angebot der kostenlosen Nutzung des ÖPNV gehört schlichtweg dazu.
Nur eben nicht in Bad Sachsa. Dort weiß man eben alles besser. Das war schon immer so, aber langsam nervt es. Vor allem dann, wenn man sich selbst Schlauheit und allen anderen Blödheit unterstellt.
Schauen wir uns die Argumente der HATIX-Gegner doch einmal genauer an. Leider, so muss man es eindeutig formulieren – und ich stehe zu dieser Formulierung! – reden hier Blinde über Farben. Kein einziger der Ratsherren, die sich ein – negatives, natürlich – Urteil über den ÖPNV erlauben, hat jemals in einem Zug oder Bus gesessen. Alle sitzen nur in ihren SUVs und beurteilen die ÖPNV-Welt von ihrem Lenkrad aus. Schade eigentlich. Man kann ja die Nutzung des ÖPNV nicht erzwingen. Aber man könnte wenigstens erwarten, dass man, wenn man schon selber nicht mitfährt, andere fragt, die Bahn und Bus nutzen.
Muss man natürlich nicht. Als FDP weiß man sowieso alles viel besser als die Dödel in anderen Parteien. Aber man muss sich dann immerhin wenigstens gefallen lassen, dass man die Argumente einmal etwas genauer betrachtet.
Bad Sachsa subventioniert über den HATIX-Beitrag den ÖPNV im ganzen Landkreis
Fangen wir mal damit an. Und da muss man sogleich rufen: Geht’s noch? Wer so etwas raustrompetet, der hat nun wirklich von den Strukturen und Kosten des ÖPNV null Ahnung. Gut, muss er ja auch nicht, aber dann wäre Klappe halten sicher besser. „Hättest Du geschwiegen, würdest Du als Philosoph gelten“ – die Chance jedenfalls hat Daniel Quade vertan. Denn der ÖPNV im ganzen Landkreis, der kostet nun wirklich mehr, und die Hybris, dass mit den paar Kröten aus Sachsa der ÖPNV des – inklusive der Stadt Göttingen – mehrere hunderttausend Einwohner zählenden Kreises über Wasser gehalten wird, ist so albern, dass man sie eigentlich in die Rundablage treten müsste.
Es fahren ja nur wenige Leute mit
Herr Quade hat seine eigene Hochrechnung angestellt. Er kommt bei knapp 700 Einsteigern im Oktober auf 4.000 im Jahr. Wie er das gerechnet hat, legt er natürlich – in bester FDP-Manier – nicht offen. Ich komme da schon zu anderen Ergebnissen. 700 mal zwölf, das wären über 8.000 Fälle und nicht, wie von ihm behauptet, 4.000. Natürlich schwimmen im Salztal-Paradies mehr Leute als im Bus sitzen, aber darum geht es ja nicht wirklich: Die kostenlose Mitnahme im ÖPNV ist ein Angebot an die Gäste der Stadt und ihrer Stadtteile, so wie anderes eben auch. Und es gehört sich für einen „heilklimatischen Kurort“, dass er vieles unternimmt, um die Kernstadt und das Kurviertel von Abgasen möglichst frei zu halten. Dazu zählt, dass die eigenen Gäste wie die Besucher möglichst mit dem Bus anreisen.
Die Zahlen sind natürlich noch steigerungsfähig. Dazu müsste man aber zum Angebot HATIX stehen. Die Stadt Bad Sachsa tut es erkennbar nicht.
Übrigens: Im Busbereich fahren inzwischen auf unseren Linien 15 % mehr Fahrgäste mit als noch im letzten Jahr.
Der ÖPNV ist ja so schlecht
Das ist das Lieblingsargument der CDU in Bad Sachsa. Woher sie diese Weisheiten bezieht, weiß ich nicht, da kein CDU-Ratsherr Bahn und Bus nutzt. Vielleicht vom Hörensagen? Natürlich gab es den Notfahrplan im Busbereich, der aber immer noch 90 % der Fahrten vorsah. Seit einigen Monaten haben wir sehr stabile Verhältnisse und so gut wie keine Ausfälle beim Bus, und die Züge fahren hierzulande allemal stabiler und pünktlicher als andernorts. Bahn und Bus funktionieren gut. Da, wo es klemmt, wird an Lösungen gearbeitet.
Tatsache ist: Die Züge fahren jede Stunde nach Nordhausen und nach Göttingen. Die Busse fahren jede Stunde nach Braunlage, öfter noch nach Walkenried (wovon besonders Neuhof profitiert, neuerdings auch Tettenborn). Immer öfter geht es auch nach Bad Lauterberg, was wiederum Steina zugutekommt. Für Urlauber ist das Angebot gut. Sie können mit Hilfe von Bus – und inzwischen auch Bahn – so viele Touren machen, dass es für mehr als einen Urlaub reicht.
Der Druck aus Sachsa hat schon Verbesserungen bewirkt
Dieses völlig hohle, an den Haaren herbeigezogene Argument entbehrt nun wirklich jeder Grundlage. Der stabile Fahrplan ist der, welcher der Ausschreibung durch den ZVSN zugrunde lag. Dazu hat die Stadt Bad Sachsa wenig bis nichts beigesteuert, da sie zur Gestaltung des Fahrplans null Vorschläge gemacht hat. Da kam noch nie etwas Konstruktives.
Wenn es absehbar ab Februar 2025 zu weiteren Verbesserungen kommt, dann kommen diese nicht wegen, sondern trotz der Sachsaer Grundhaltung. Unsere Initiative arbeitet – im Gegensatz zum Rat der Stadt Bad Sachsa – seit Jahren konstruktiv und pickt sich die Dinge heraus, die das Angebot sinnvoll abrunden und der Bevölkerung – und den Gästen – zugutekommen. Nichts, aber auch gar nichts kam und kommt dazu aus der Stadt – mit Ausnahme der gebetsmühlenartigen Forderung nach dem Ravensberg-Bus. Ich war kürzlich oben: Gaststätte zu, Umfeld trostlos, Aussicht nach Süden (früher viel gerühmt) nahe Null. Warum soll da ein Bus rauffahren? Schnee liegt auch keiner mehr…
Klar, wenn ich Anti-HATIX-Politiker wäre, würde ich so etwas vielleicht auch raushauen. Seriös ist es natürlich nicht. Aber wer fragt schon danach?
Wir haben jetzt die bessere Verhandlungsposition
Hallo? Wieso denn das? Der Landkreis Göttingen will den Tourismus nachhaltig weiterentwickeln, dazu zählt ganz sicher auch HATIX. An Verbesserungen im Busbereich sind viele interessiert. Bad Lauterberg zum Beispiel wünscht sich mehr direkte Busse nach Braunlage (was umgekehrt auch die Braunläger durchaus gut finden). Walkenried hätte gern mehr Fahrten über Wieda nach Braunlage und eine Spätanbindung von Göttingen. Das Geld ist freilich knapp. Warum sollte man es ausgerechnet dort ausgeben, wo man gerade die kostenlose Mitnahme für Urlauber gekippt hat? Da ist man doch allemal besser beraten, das Angebot dort zu stärken, wo man HATIX offen gegenübersteht.
Man stelle zu außerdem vor, der Landkreis würde nun sagen: Ach, liebe Sachsaer, kommt doch bitte wieder zurück, wir geben euch auch alles, was ihr euch wünscht – wie würden das die Kommunen bewerten, die bei HATIX geblieben sind? Sie müssten sich doch wohl veräppelt vorkommen – oder eben auch neue Forderungen präsentieren nach dem Motto „wenn wir das nicht bekommen, treten wir aus.“ – Es gehört schon viel Phantasie oder eben Hybris dazu, sich in eine solche Position der Stärke hineinzudenken.
Die Stadt kann sich HATIX nicht leisten
Sorry, aber hohler geht es nun wirklich nicht mehr. Der HATIX-Beitrag wird über die Gästekarte von den Gästen entrichtet. Die Stadt Bad Sachsa gab und gibt hier keinen einzigen Cent dazu. Die Stadtkasse wird mit 0,00 Euro belastet. Kritisch würde es dann, wenn die Gäste – und nur diese – einen überhöhten Gästebeitrag ablehnen und der Stadt den Rücken kehren würden. Dieser Punkt ist in Sachsa und anderswo erkennbar nicht erreicht.
Das Argument entlarvt sich spätestens in dem Moment, in dem der wahre Beweggrund der Kündigung offenbar wird: Man will die 25 Cent pro Tag und Gast umleiten und in die Finanzierung anderer Infrastruktur stecken, die häufiger genutzt wird. Im Grunde macht man also eines: Man hält den Gästebeitrag, schränkt aber die Leistungen für die Gäste ein. Die wohl um die 70.000 Euro, die über HATIX eingenommen werden, sind bei der – auch vom Bürgermeister selbst eingeräumten – immensen Kostenstruktur von Spaßbad und anderem freilich ein Tropfen auf den heißen Stein. Er verzischt, ohne irgendeine Wirkung zu hinterlassen, um im Jahr darauf muss man dann den Gästebeitrag trotzdem anheben, um alle sicher gut genutzten, aber extrem defizitären Einrichtungen weiterführen zu können.
Die SPD in Bad Sachsa oder: Es gibt im gallischen Dorf nicht nur Zaubertranktrinker
Soweit also die Argumente der HATIX-Gegner. Nun gibt es aber in der Uffemetropole ja auch Leute, die gewisse Schüsse gehört haben. Der SPD in Sachsa ist zu danken, dass sie es noch einmal versucht hat. Alles, was sie an Argumenten genannt hat, trifft voll und ganz zu. Dafür stehe ich mit meinem Namen ein.
Aber was nützt es, wenn die Zaubertranktrinker in der Mehrzahl sind? Der Zaubertrank macht ja unbesiegbar – jedenfalls im Comic. Aber selbst da gibt es prekäre Situationen, in denen er alle ist. Und dann sehen die Dorfbewohner regelmäßig ziemlich alt aus. So wie die Sachsaer, wenn sie aus ihrem Trankrausch aufwachen und sich darauf besinnen, dass auch sie Teil des Harzes und des Südharzes sind.
Unsolidarisch – das Argument trifft momentan nur auf eine Gruppe zu, und das sind die Sachsaer HATIX-Gegner, allen voran ihr Bürgermeister.
Die Sachsaer Haltung trifft auch die eigenen Bewohner
„Höchste Eisenbahn“ jedenfalls weiß jetzt, wo die Gegner des ÖPNV im Südharz
sitzen. Diese Formulierung würden die Ratsherren und -frauen in Sachsa
vermutlich empört von sich weisen. Und doch: Sie haben sich, die SPD
ausgenommen, aber die Grünen inklusive (was ich persönlich nie begreifen werde),
als Gegner des ÖPNV entpuppt. Denn, natürlich, die Nutzung über HATIX hilft dem
ÖPNV im Landbereich auf die Beine. Man sehe sich unser Wochenend-Angebot an und
vergleiche es mit dem anderer Landstriche, die nicht mit Touristen gesegnet
sind. Die touristischen Verkehre tragen zu einem spürbar besseren Angebot bei –
und das kommt der eigenen Bevölkerung in Form von mehr Fahrten zugute. Wer HATIX
kündigt, schädigt damit natürlich auch die Interessen zumindest des Teils der
Bevölkerung, die die Welt nicht aus der SUV-Perspektive kennen oder nicht
kennenlernen können. Neben den früher abschätzig genannten vier „A“ – Arme,
Auszubildene, Alte und Ausländer – sind das, unter anderem, alle die, welche aus
gesundheitlichen Gründen kein Auto mehr lenken dürfen. Immer mehr Menschen sind
aufgrund der Ausdünnung der Infrastrukturen im Landbereich auf einen
funktionierenden ÖPNV angewiesen. Wenn es denn in Steina, Tettenborn, Neuhof
keinen Arzt, keine Apotheke, keinen Laden mehr gibt, dann müssen auch die,
welche nicht Auto fahren, Gelegenheit erhalten, diese Stätten aufzusuchen.
HATIX-Nutzer tragen – ohne das Stadtsäckel zu belasten! – zu einem guten
Busangebot bei.
Michael Reinboth