News vom 01.01.13 bis 31.01.13
1. Schwierige Phase für den Südharzer Schienenverkehr (Stand 30.01.2013)
„Der Südharzer Nahverkehr auf der Schiene hat schon einiges durchgemacht. Die
nächsten ein bis zwei Jahre jedoch wird es sehr schwierig. Durch die vom
niedersächsischen Standard abweichende Ausschreibung der Zugleistungen hat die
LNVG unseren Nahverkehr in eine kritische Situation hineinmanövriert, in der
einmal mehr die Fahrgäste die Leidtragenden sein könnten.“
Michael Reinboth von der Initiative „Höchste Eisenbahn für den Südharz“ fand schon die vor geraumer Zeit vorgenommene erste Ausschreibung der Leistungen im „Dieselnetz Niedersachsen Süd-Ost“ (DINSO) ausgesprochen merkwürdig, denn das Netz wurde künstlich in zwei Teillose zerlegt, deren eines zukünftig mit Fahrzeugen aus dem landeseigenen Fahrzeugpool betrieben werden sollte, während im anderen – zu dem auch die beiden Südharzer Strecken gehören – der Betreiber die Fahrzeuge selbst mitzubringen hat. Da auf allen Strecken dieses Loses relativ moderne, seit 2005 in Betrieb stehende Triebwagen der Baureihe VT 648 LINT der DB Regio eingesetzt werden, während im anderen Los alte, zum Teil auch sehr alte Fahrzeuge verkehren, schien der Zuschnitt der Ausschreibung darauf hinzudeuten, dass man gewillt war, die DB Regio hier weiter zum Zuge kommen zu lassen. Schließlich waren ja auch diese VT 648 mit Landeszuschüssen beschafft worden!
Bedenkliche Klausel
Eine Klausel allerdings stimmte diesbezüglich bedenklich: Die auf unseren
Strecken grundsätzlich zugelassenen Altfahrzeuge durften nicht älter als fünf
Jahre sein. Dies wiederum bedeutet, dass selbst die quasi neuen VT 648
eigentlich schon aus dem Rennen sind. Ein potenzieller Betreiber musste mithin
davon ausgehen, dass er – auf seine Kosten – zwischen 25 und 30 neue Triebwagen
zu beschaffen hätte, eine Investition im Rahmen von ca. 60 Millionen Euro oder
mehr. Jedweder mittelständische Bewerber musste bei solchen Konditionen von
vornherein die Waffen strecken.
Und genau so ist es auch gekommen: Während sich für das mit Poolfahrzeugen zu betreibende Los mehrere Bewerber fanden und letztlich „Erixx“ den Zuschlag erhielt, blieb für unser Los nur die Deutsche Bahn übrig, und dies ganz offensichtlich zu Preisen, die jenseits von Gut und Böse liegen und den finanziellen Rahmen der LNVG zu sprengen drohen. Aus diesem Grunde wurde nun die Ausschreibung quasi wiederholt, indem andere Unternehmen zu einer Interessensbekundung aufgefordert wurden.
Warum für unser Los keine Poolfahrzeuge in Frage kommen sollen, bleibt kaum erklärlich. Bisher wurden gerade für Dieselnetze im eher ländlichen Raum in Niedersachsen praktisch ausschließlich solche Fahrzeuge vorgesehen (Nordwestbahn, Heidekreuz und so weiter). Ausgerechnet zwischen Braunschweig und Göttingen soll hiervon abgewichen werden. Man fragt sich durchaus, was dahinter steckt. Das Zwischenresultat jedenfalls ist alles andere als ermutigend.
Verzögerungen durch Wettbewerb
Der erneute Wettbewerb führt nämlich einerseits zu Verzögerungen, die bei der
bekannten Dauer des Zulassungsprozesses für neue Fahrzeuge durch das
Eisenbahn-Bundesamt in einer Katastrophe enden können (es stehen keine Fahrzeuge
zur Verfügung, wenn es losgehen soll), und andererseits zu erheblichen
Verunsicherungen bei dem Personal, welches heute den Zugverkehr und alles darum
herum abwickelt und sicher gern wüsste, wie es weitergeht – in Richtung alter
Arbeitgeber oder in Richtung neuer Betreiber. Das kann in der Folge zu
Absentismus in Form von erhöhtem Krankenstand führen oder aber dazu, dass man
Verspätungen und Zugausfälle nicht allzu tragisch nimmt. In allen Fällen muss
der Fahrgast die wenig klare Linie der LNVG und die offensichtliche Geldgier des
Konzerns Deutsche Bahn ausbaden.
DB Regio wiederum ist offenbar nicht in der Lage, Schlüsse aus schon verlorenen Ausschreibungen zu ziehen. Binnen eines Jahres hat man praktisch 80 % aller von Braunschweig ausgehenden Leistungen an Wettbewerber verloren (Westfalenbahn und Erixx) bzw. wird sie verlieren, da für die noch verbliebenen zwei Elektrostrecken Hildesheim – Wolfsburg und Hannover – Wolfsburg auch wieder Poolfahrzeuge beschafft werden. Letzte verbliebene Bastion sind ausgerechnet unsere Strecken. Damit steht die Existenz des Betriebshof-Standorts Braunschweig letztlich zur Disposition, was weitere Unsicherheit schaffen dürfte. Gleich nebenan baut nun Alstom einen neuen Wartungsstützpunkt für die neuen elektrischen Poolfahrzeuge auf und wäre sicher in der Lage, dort auch Dieseltriebwagen aus eigener Produktion zu unterhalten…
Indizien für die Haltung „Ist doch eh egal“ gibt es durchaus – Kontrolleure kassieren Fahrgäste selbst bei erwiesener Unschuld ab (Osterode), Boxen in den Triebwagen werden bei Fahrplanwechsel nicht mehr aufgefüllt, zwischen Herzberg und Braunschweig verkehren unangekündigt nicht barrierefreie Altfahrzeuge.
Skepsis
bei der Initiative
Bei „Höchste Eisenbahn für den Südharz“ jedenfalls blickt man mit Unruhe und
Skepsis auf das Treiben der LNVG und der DB. Denn wenn es am Ende teurer wird
als geplant, werden womöglich Züge abbestellt und die Fahrpläne ausgedünnt.
Unser Raum ist sowieso das Stiefkind niedersächsischer Nahverkehrspolitik. Man
schaue nur auf die grottenschlechte Anbindung an die Landeshauptstadt Hannover:
20 bis 30 Minuten Wartezeit beim Umsteigen in Northeim sind die Regel, in
Ringelheim sind es gar 50 Minuten und über Seesen und Kreiensen werden die
Fahrgäste durch Dauerverspätungen bei knappen Umsteigezeiten vertrieben.
Die hier
tickende Zeitbombe hat freilich im Wahlkampf keine Rolle gespielt.
„Elektromobilität“ ist das Stichwort – wozu also noch eine Eisenbahn? Es wird
aber kein Vierteljahr nach der Wahl vergangen sein, dann wird uns das Thema
einholen. Und wenn wir nicht aufpassen, wird Stufe zwei des Abhängens vom
landesweiten ÖPNV eingeläutet werden.
Michael Reinboth