News vom 01.07.11 bis 31.07.11

1. Spezial zum ÖPNV-Chaos in Südniedersachsen:
Ständige Metronom-Streiks haben erhebliche Auswirkungen auf das Harz-Weser-Netz - Streikende Lokführer und schwerfälliges Management: Süd-Niedersachsen wird abgehängt (Stand: 03.07.2011)
2. Südharzstrecke: Bahnhof Herzberg – Nicht nur zum Umsteigen geeignet (Stand: 09.07.2011)
3. Unzureichener Metronom-Ersatzverkehr trifft Kunden der Südharzstrecke (Stand: 19.07.2011)

 

1. Spezial zum ÖPNV-Chaos in Südniedersachsen:
Ständige Metronom-Streiks haben erhebliche Auswirkungen auf das Harz-Weser-Netz - Streikende Lokführer und schwerfälliges Management: Süd-Niedersachsen wird abgehängt (Stand: 03.07.2011)

Seit einigen Tagen streiken die in der GDL organisierten Lokführer des Metronom – schon wieder, und ein Ende ist angesichts der völlig verhärteten Fronten nicht absehbar. Das Notfall-Management beim Metronom ist zwar ein klein wenig besser geworden, aber der Süden von Niedersachsen wird weiterhin extrem benachteiligt. Dies bleibt nicht ohne Folgen auf das Harz-Weser-Netz. Langfristig negative Auswirkungen sind hier zu befürchten.

Zu wenig Metronome im Süden

Auffällig ist die nach wie vor stiefmütterliche Bedienung der Strecke Hannover – Göttingen mit den trotz Streiks verkehrenden Metronomen. Waren es am Freitag (01.07.) noch 12 Züge pro Richtung und am Samstag (02.07.) noch deren 7, wurden am Sonntag (03.07.) ganze 3 Züge pro Richtung angeboten, davon 2 in Richtung Hannover kurz nacheinander. Nach 12 Uhr fuhr ab Göttingen gar kein Metronom mehr nach Norden. Dies steht in krassem Gegensatz zu den Abschnitten Hannover – Uelzen, wo man immerhin auf einen innovativen Pendelverkehr Uelzen – Celle – Uelzen mit Anschluss an die S-Bahn verfallen ist, und zu den auch unter den obwaltenden Umständen noch recht gut bedienten Abschnitten Uelzen – Hamburg und Bremen – Hamburg.

Unzureichender und unzumutbarer Schienen-Ersatzverkehr

Der von Metronom im Streikfalle – also derzeit nahezu ständig – eingerichtete „Schienen-Ersatzverkehr“ mit Omnibussen erstreckt sich hierzulande nur auf den Abschnitt Kreiensen – Sarstedt. Zwischen Göttingen und Kreiensen verkehren alle 2 Stunden die Regionalbahnen der DB, und ab Sarstedt kann man mit der S-Bahn nach Hannover fahren. So weit, so schlecht: Die Omnibusse haben zwischen Kreiensen und Sarstedt eine völlig inakzeptable Fahrzeit und sind allenfalls für Verkehre Kreiensen – Alfeld bzw. Hannover – Alfeld noch hinzunehmen. Die Reisezeit von Kreiensen nach Hannover ist hingegen viel zu lang. Für Pendler aus dem Süden des Landes nach Hannover stellt dieser Bus keine Alternative dar.

Die wenigen zwischen Kreiensen und Göttingen pendelnden Regionalbahnen der DB Regio haben ein maximales Fassungsvermögen von ca. 200 Personen (davon fast die Hälfte stehend) und können größere Fahrgastströme in der Relation Göttingen – Kreiensen und zurück nicht aufnehmen. Bei völliger Überfüllung dieser Züge werden zudem die Stammkunden massiv abgeschreckt.

Kein Konzept bei Bauarbeiten - Kreiensen völlig vom Nord-Süd-Verkehr abgehängt

Am Samstag (02.07.) und Sonntag (03.07.) fanden in Kreiensen lange geplante Bauarbeiten statt. In deren Folge fielen alle Regionalbahnen zwischen Kreiensen und Göttingen aus – also genau die Züge, auf die Metronom verweist und auf die auch die Anschluss-Omnibusse in Kreiensen ausgerichtet sind. In trauter gemeinsamer Unfähigkeit der Unternehmen DB Regio und Metronom gelang es insbesondere am Sonntag, den Eisenbahnknoten Kreiensen völlig vom Nord-Süd-Verkehr abzuhängen. Obwohl das Problem spätestens seit Freitag früh 2.00 Uhr bekannt war, gelang es nicht, den Kunden eine leidlich sinnvolle Alternative anzubieten. Wer den Metronom-Ersatzbus nahm, sah sich in Kreiensen gestrandet, und von Göttingen aus war der Knotenpunkt ganze drei Mal pro Richtung erreichbar. Damit hingen an diesem Tage die von dort nach Holzminden bzw. Bad Harzburg verkehrenden Regionalbahnen völlig in der Luft. Weder die Deutsche Bahn – deren Züge ja primär vom Ausfall betroffen waren – noch Metronom – der die Kunden hätte befördern sollen, es aber nicht konnte – boten auf ihren Internet-Seiten eine Lösung an. Sie hätte in der Leitung der Fahrgäste auf den Weg Göttingen – Herzberg – Seesen – Goslar bzw. – Ringelheim – Goslar bestanden. Aber darauf muss man ja erst einmal kommen…

Kunden wandern auch im Harz-Weser-Netz ab

Dauerstreiks ohne Lösung und extreme Fehlleistungen beim Ersatzverkehr lassen nicht nur die Metronom-Stammkunden verzweifeln, die das derzeitige Management ohnedies im Gegensatz zu den Vorgängern nicht unbedingt verwöhnt (man denke an den Wegfall der Stammplatz-Reservierung), sondern vergraulen leider auch massiv Kunden des Harz-Weser-Netzes:

Es soll Menschen geben, die, bei der DB beschäftigt, den Problemen beim Metronom durchaus wohlgefällig zusehen. Endlich trifft es mal nicht den eigenen Betrieb, sondern die „Konkurrenz“! Dass die Bahn vom Kunden als ein System begriffen wird, ganz gleich, wer da fährt, ist diesem Personenkreis offenbar entgangen. Wenn der Anschluss fehlt, fehlen auch die Kunden in den Zu- und Abbringerzügen. Und diese sind wesentlich mehr auf das Halten oder Gewinnen von Kunden abgewiesen als der Metronom selbst. Das Desaster beim Metronom schwächt mithin das ohnedies nicht auf Rosen gebettete Harz-Weser-Netz nachhaltig. Übrigens auch deswegen, weil die DB trotz Streiks unverdrossen weiter Reisende zählt und notiert: Schon wieder weniger Fahrgäste!

Der „Metronom“ wird schlecht gemanagt

Einst galt der Metronom als der Inbegriff für Kundenservice: Kaffee im Zug, alle Züge begleitet, gute Ansagen, Sitzplatzreservierung, sauber und zudem auch pünktlich, um den Kunden stets bemüht. Das hat sich schon seit dem Rauswurf des alten Managements zum Schlechten hin verändert. Was nun, während des lang anhaltenden Tarifkonflikts, abgeliefert wird, ist noch schlechter. Liebloser SEV, ein Notfahrplan ohne Verlass und Struktur, keine Abstimmung mit der DB im Falle von Bauarbeiten, das alles deutet darauf hin, dass Zweitklassigkeit eingezogen ist.

Natürlich sind die streikenden Lokführer ursächlich, denen ihr eigenes Unternehmen ganz offensichtlich auch völlig egal ist. Doch wurde diese (vermutlich zu einem großen Teil aus Personal aus den neuen Bundesländern rekrutierte) Truppe früher immerhin noch zusammengehalten und motiviert von einem Management, welches erkannt hatte, dass das Geld letztlich vom Kunden kommt. Dass streikwütiges Lokpersonal ohne Bezug zur Region und zum Unternehmen dieses nicht weiß oder nicht wissen will (O-Ton des Vorsitzenden Weselsky: Auf Kunden können wir leider keine Rücksicht mehr nehmen), ist schlimm genug. Dass das Management es nicht begreift, ist noch viel schlimmer.

Das Tarifwerk der GDL ist in einigen Teilen gewiss eine Zumutung. Aber dies ist ja alles nicht erst seit gestern bekannt. Wenn man es nicht akzeptieren kann oder will, dann muss man in der Lage sein, den Kunden eine leidlich akzeptable Ersatzlösung anzubieten – sie sind es doch, für die die Züge fahren!!

Aufgabenträger und Politik reagieren nicht

Es ist überdies sehr bedauerlich, dass die Aufgabenträger (LNVG und Region Hannover) auf die anhaltende Metronom-Katastrophe nicht oder nur sehr zurückhaltend reagieren. Mit „Neutralität im Arbeitskampf“ hat es nichts zu tun, wenn man sich für die Belange derjenigen einsetzt, für die man letztlich eingesetzt worden ist, nämlich der Fahrgäste. Unzumutbare Verhältnisse, schlechte Ersatzverkehre und fehlende Kunden kosten am Ende auch diese Organisationen viel Geld.

Leider kommen auch aus der Politik im Süden unseres Bundeslandes keine Kommentare, und sei es wenigstens die Aufforderung, sich mal wieder an den Verhandlungstisch zu begeben (obgleich zugegebenermaßen die GDL ja nicht verhandeln, sondern diktieren will – aber der Konflikt muss ja einen Ende zugeführt werden). Dass nachhaltige Schäden in der ÖPNV-Landschaft angerichtet werden, scheint nicht wirklich zu interessieren. Es ist jedoch für den ICE-Halt Göttingen schon von einiger Bedeutung, ob dort viele Leute aus-, ein- oder umsteigen. Metronom- oder auch Cantus-Kunden können das derzeit selten oder nie und werden auch in Zukunft fehlen, wenn die Züge einmal wieder pünktlich rollen sollten. Das kann uns im Hinblick auf die verkehrliche Bedeutung unseres einzigen Oberzentrums nicht völlig egal sein.

Wir erwarten hier schlicht und ergreifend mehr Aktivität
Michael Reinboth

2. Südharzstrecke: Bahnhof Herzberg – Nicht nur zum Umsteigen geeignet (Stand: 09.07.2011)
Wer in diesen Tagen mit Zug oder Bus durch Herzberg am Harz gekommen ist oder wer aufmerksam den HarzKurier studiert, dem ist nicht entgangen, dass Karin Kerl, rührige Betreiberin des „Traum am Gleis“, eine neue Aktion gestartet hat, um dem Empfangsgebäude des Südharzer Umsteigeknotens ein noch freundlicheres Aussehen zu verleihen. Angesichts solcher Aktivitäten ist es mitunter fast schon bedauerlich, dass der gut funktionierende Taktknoten einem wenig Zeit zum Studium oder zur Einkehr bietet. Allenfalls die Fahrgäste aus Richtung Osterode können sich, wenn es mal wieder mit dem Anschluss nach Northeim nicht geklappt hat, in angenehmem Ambiente die Zeit bis zum nächsten Zug vertreiben und den Ärger ein klein wenig verdrängen.

Für die übrigen reicht es vielleicht zum einem Kaffee zum Mitnehmen. Wer Herzberg als Park & Ride-Startpunkt gewählt hat oder vom Bus zum Zug wechselt, hat in der Regel etwas mehr Zeit und kann nun auch die bemalten Ex-Fenster an der Stirnseite des Gebäudes studieren.

Walkenried 2011 280.jpg

Als ich gestern dieses Bild machte, ist mir, der ich den Bahnhof Herzberg nun schon seit gut 45 Jahren frequentiere, zum ersten Mal aufgefallen, dass die Säulen zwischen den Fenstern regelrechte Kapitelle aufweisen – ein architektonisches Detail an dem doch ansonsten als Typenbau preußischer Eisenbahntechniker wenig beachteten Gebäude. Die Zierziegel unterhalb der Fenster nimmt man nun auch mit anderen Augen wahr.

Walkenried 2011 281.jpg

Auch diese Seite des Gebäudes nimmt man ja eher im Vorbeigehen wahr, aber man beachte den Zierfries unterhalb des Daches und den Überfangbogen oberhalb der drei Fenster. Herzberg hat – und die Aufmerksamkeit hierauf zu lenken, ist nicht zuletzt das Verdienst von Karin Kerl – ein durchaus bemerkenswertes Empfangsgebäude, dessen einziger Fehler die etwas abseitige Lage ist. Die Stadt Herzberg ist sich dessen durchaus bewusst und trägt durch das Gießner-Denkmal, diverse Schilder und nicht zuletzt die Toilette dazu bei, dass man das Ein-, Aus- oder Umsteigen in Herzberg als durchaus angenehm empfindet.

Die DB hat aus Anlass der jüngsten Gleisbauarbeiten auch die Bahnsteigkante an Gleis 1 repariert. Worauf wir nun noch warten, sind die Aufzüge, um den Bahnhof wirklich barrierefrei zu machen. Und eine kleine Auffrischung hat auch die Unterführung verdient.

Trotz des Rückzugs der DB aus dem Gebäude ist es in den letzten Jahren gelungen, den Bahnhof und sein Umfeld am Leben zu erhalten. Das ist durchaus bemerkenswert. In Großbritannien läuft so etwas unter dem Stichwort „CRP – Community Rail Partnership“, womit die in diesem Falle institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Bahn, Kommunen und Privatpersonen gemeint ist. Hierzulande ist so etwas erst punktuell zu finden und noch nicht wie auf der Insel entlang ganzer Strecken – aber das kann gerade am Südharz ja noch werden.

Frau Kerl gratulieren wir zu ihrer neuerlichen Aktivität und hoffen, dass sie dem Bahnhof Herzberg noch lange erhalten bleibt.
Michael Reinboth

3. Unzureichener Metronom-Ersatzverkehr trifft Kunden der Südharzstrecke (Stand: 19.07.2011)
Zum wiederholten Male wird der Zugbetrieb des Metronom zwischen Hannover und Göttingen durch den Streik der GDL-Lokführer empfindlich gestört. Statt der gewohnten stündlichen Züge verkehren diese sehr unregelmäßig. Dies führt inzwischen zu erheblichen Beeinträchtigungen des Zugverkehrs auf der Strecke Göttingen – Herzberg – Nordhausen. Reisende müssen wegen Überfüllung zurückbleiben, Anschlüsse werden nicht abgewartet.

„Das Ersatzangebot des Metronom für Süd-Niedersachsen ist weiterhin vollkommen unzureichend. Es ist skandalös, Busse lediglich zwischen Kreiensen und Sarstedt pendeln zu lassen und die Fahrgäste südlich von Kreiensen auf die wenigen, zweistündlich verkehrenden Triebwagen der DB Regio zu verweisen. Diese viel kleineren Fahrzeuge sind ohnehin meist recht gut besetzt und nicht in der Lage, den Fahrgastansturm der Metronom-Kunden aufzunehmen. Metronom macht es sich hier entschieden zu einfach.“ Erläutert Michael Reinboth von der Initiative „Höchste Eisenbahn für den Südharz“ die Situation.

Denn aufgrund des Management-Versagens beim Metronom bleiben häufig Kunden der Südharzstrecke zurück und werden auf den nächsten Zug verwiesen. Die Bundespolizei, die nun schon mehrfach hinzugebeten wurde, um eine völlige Überfüllung der Triebwagen zu verhindern, unterscheidet nicht zwischen den „Stammkunden“ der DB Regio und solchen, die vom Metronom kommen und irgend eine Chance sehen, nach Einbeck, Kreiensen oder Alfeld zu kommen. Wegen der Einsätze der Bundespolizei entstehen dann Verspätungen – und der Anschlusszug in Northeim in den Südharz ist weg.

„Der Metronom-Streik und das katastrophale Management der Situation durch die Metronom-Geschäftsführung führen dazu, dass unsere Kunden die Leidtragenden sind und abspringen. Metronom bietet für Süd-Niedersachsen ein Ersatzangebot, dass diesen Namen – im Unterschied zur Cuxhavener Strecke und dem Vorortverkehr von Winsen nach Hamburg – nicht verdient. Die Busse brauchen von Kreiensen nach Sarstedt endlos lange, und ab Kreiensen nach Göttingen gibt es gar nichts. Es ist uns auch unverständlich, wieso der Aufgabenträger, die LNVG, hier nicht einschreitet und bessere Ersatzlösungen durchsetzt. Am Ende wird man uns erklären, dass die Fahrgastzahlen im Südharz nicht gestiegen sind. Nicht der Metronom wird dann abbestellt, sondern Züge auf unserer Strecke.“

„Höchste Eisenbahn“ fordert vom Metronom und vom Aufgabenträger ein entschieden besseres Ersatzkonzept für den Landessüden. Hierzu gehört u.a.

„Wir sind nicht bereit, die zunehmende Eskalation der Lage und die Benachteiligung der Kunden im Südharz länger stillschweigend hinzunehmen. Dies ist durchaus auch ein Thema der Landes- und Bundespolitik. Hier wird ein Verkehrssystem zugrunde gestreikt, und die Kollateralschäden sind unübersehbar.“ meint Reinboth. „Höchste Eisenbahn“ wird hierzu auch die Abgeordneten der Region, Minister Bode und Ministerpräsident McAllister anschreiben. Denn die Zeit, wo man dem Treiben der GDL und des Metronom-Managements tatenlos zusehen und auf die Tarifautonomie hinweisen kann, ist nach inzwischen 6 Monaten Streik abgelaufen: Hier werden öffentliche Gelder verbrannt.
Michael Reinboth

 

zur Startseite